Leben und Arbeiten im Krankenhaus

Andere arbeiten im Krankenhaus, ich werde für die nächsten Wochen sowohl arbeiten als auch dort wohnen. Die Insider nennen es "Submarin", weil der Studentenwohnbereich keine Fenster hat und man sich wie in einem U-Boot isoliert fühlen könnte. Ich finde es nicht schlimm (fragt mich nochmal in ein paar Wochen), denn ich kann ja jederzeit raus gehen und außerdem sieht man nicht, wenn`s schlechtes Wetter ist.

Meine 4 Wände. Ich hab sogar schon einen Mitbewohner - eine süße Neuanschaffung, meinen Koala :-) und ich besitze ein Radio / Zweit-Wecker. Letzteres ist auch ganz wichtig. Wer mich kennt, wird wissen, dass ich einen gesunden Schlaf habe, der sich nicht unbedingt an Aufstehzeiten hält. So müssen die Eltern mich jetzt nicht mehr wecken. Bei denen war es 22:00 kurz vor dem Schlafengehen, wenn sie mir um 6:00 Guten Morgen gesagt haben.
Mein Zimmer von der Tür aus fotografiert

Ansonsten ist hier alles da: Möbel, Handtücher, Bettwäsche, Küchenutensilien, Mikrowelle, Dusche / WC, Waschmaschine, Trockner, Aufenthaltsraum mit Fernseher, jedoch kein Herd oder Ofen, sodass entweder Schnitte mit Brot angesagt sind oder das Mikrowellen-Kochen perfektioniert wird. Seit Neuestem habe ich eine tiefe Pfanne, deren Platte mit Strom heiß wird. Und diese nutze ich gern :-)
Gemeinschaftsküche: Zu dem Zeitpunkt sah es gerade nicht so ordentlich in der Spüle aus. Sonst sind wir alle Musterstudenten, was das angeht ;-)
Ein Raum für alles und für alle: Fernsehen, Quatschen, Pläne schmieden, Internet, Wäsche trocknen, Bügeln, Lesen und z.T. auch Essen und Trinken. Da bleibt man garantiert nicht allein.

Essen ist wichtig, jedoch teuer. Wenn man im Krankenhaus wohnt, hat man den Vorteil, mal schnell dort sein Mittagessen zu holen bzw. zu machen. Es lebe der Kaffee und der Tee (natürlich schwarzer Tee mit Milch). Das haben sie echt drauf und man kann sich im Aufenthaltsraum und im OP jederzeit kostenlos bedienen. Ohne scheint es nicht zu gehen. Und Dienstag Mittag gibt es immer ein kostenfreies Buffet, bevor die Vorträge und Hörsaal beginnen. Zumindest da sieht man alle wieder ;-) ... wenn man sich nicht im common room (Gemeinschaftsraum mit kleiner Küche, Sofas, TV, Billard, Tischfußball) trifft.

Kleidung: Die Ärzte erkennt man hier nicht an den Kitteln - weil sie keine tragen. Genau wie ich es in Grossbritannien erlebt habe, laufen hier alle schick (im Anzug oder etwas Äquivalentem) rum. Und nur im äußersten Notfall wird eine Schürze übergezogen. Hier gibt es extra Schwestern, die mit den Ärzten mitlaufen, die Hygiene beaufsichtigen und Protokoll führen.
OP-Kleidung: Man beachte die Schuhüberzieher. Ich trage oft noch eine Art blauen unförmigen Kittel drüber, weil es im OP-Trakt recht kalt ist.
Nach der Verwandlung - wieder in chicken, also offiziellen Arbeits-Klamotten

Krankenhaus-Alltag: Anders als bei uns haben die Ärzte hier keine eigene Station, sondern besuchen bei der Visite ihre Patienten auf den verschiedenen Stationen. Dabei ist das Problem, dass man sich hier ziemlich schnell verlaufen kann, so unübersichtlich erscheint es mir. Ich habe bequeme, aber trotzdem schicke Schuhe, die sich bei dem vielen Laufen schon bewährt haben.
Der OP ist auch etwas anders als bei uns ... naja. No comments.

Wer hier kein Smartphone hat, lebt hinterm Mond. Wirklich jeder scheint damit rumzurennen. Wenn bei uns jemand anruft oder angerufen wird, entschuldigt man sich und telefoniert kurz. Aber hier ist es überlebensnotwendig und dementsprechend oft klingelt es hier. Ich war heute Zuhörer in einem Vortrag und es hat mich schon nach 5min ! genervt, wie oft und wie viele Male es irgendwo gepiepst hat. Wenn ich da vorn stehen und etwas vortragen müsste, ich würde nen Koller kriegen und beim Eingang zum Hörsaal alle iphones einsammeln ;-) Die Ärzte hängen also viel am Handy, surfen im Internet, texten sich Nachrichten mit den anderen oder (ganz beliebt) machen Fotos von Wunden, also von ihren (oder anderen) Patienten - und es scheint hier niemanden zu stören (außer vlt. mich und die Patienten). Ich wurde auch gleich nach meiner Nummer gefragt und bekam die der anderen. Stay in contact, sonst bist du verloren ... so in der Art.
Ob ich mich dem Gesichtsbuch (Facebook) in Zukunft noch entziehen kann?...

Sehr, sehr angenehm ist es, dass hier in Australien nicht so viele rauchen. :-) Sicher gibt es bestimmte Berufsgruppen, die auch zur Zigarette greifen, aber darunter zählen nicht die Ärzte. Man sieht mal ein paar Patienten oder auch mal eine Schwester rauchen (Grundsätzlich ist es aber im Krankenhaus und auf dem gesamten Krankenhausgelände verboten und wird bis auf ein paar Ausnahmen draußen auf den Bänken auch eingehalten.) Ich habe noch keinen Chirurgen kennen gelernt oder gesehen, der raucht! Und das macht auch das Arbeiten viel angenehmer und geruchsneutraler.
Die Anti-Raucher-Kampagne ist hier viel stärker als bei uns in Deutschland oder Europa. Drastische und abschreckende Werbung findet man täglich im Fernsehen, auf Plakaten und auch Tabakpackungen.

Alle sind hier nett und freundlich zu mir und helfen, wo es geht. Das Aussie-Englisch ist anders und abhängig, mit wem ich gerade spreche, verstehe ich es mal besser, mal schlechter. Insgesamt verstehen sie mich aber super und ich bleibe am Ball :-)
5 deutsche Mädels durften dieses Jahr die Reise nach Australien antreten: (von links nach rechts) Leonie, Maria, Anne, in der Mitte Sondra Edmonds (Students Coordinator), Eva und ich

Die ersten 4 Wochen war ich in der Plastischen Chirurgie. Ihre Arbeit in dem öffentlichen Krankenhaus umfasst eine Mischung aus Handchirurgie; Wundchirurgie (Debridments); Defektverschluss (Haut oder Haut-Muskel-Deckung eines Hautdefekts nach z.B. Hautinfektion (auch nach einer vorangegangenen OP), Unfall (Motorrad, Messerschnitt) oder Verbrennung); Brustrekonstruktion (nach Brustamputation) oder Rekonstruktion des Unterkiefers bei Kiefertumoren. Im privaten Bereich wird sicher auch Schönheitschirurgie betrieben, aber darin habe ich keinen Einblick bekommen. Da die Fachärzte so gut wie alle in privaten Krankenhäusern arbeiten und oft auch niedergelassen sind, habe ich sie nur bei großen / schwierigen Operationen und bei Privatversicherten im öffentlichen Krankenhaus gesehen. Die übrige Arbeit haben die anderen (langjährige Assistenzärzte) übernommen.

Die folgenden 4 Wochen war in der Urologie, wo ich mir mehr erhofft habe, da es in Erfahrungsberichten gelobt wurde und ich großes Interesse hatte, in das Fach rein zu schnuppern. Das Fach an sich hat mich auch nicht enttäuscht; es war eher langweilig, da ich nicht viel machen konnte. Es gibt eine spezielle Urologie-Schwester, die sich um die Blasenkatheter kümmert und spezielle Untersuchungen (z.B. Restharnmessung) durchführt. Die typischsten Operationen, die ich sah, waren TURP und Prostataresektion (Prostata), Zystoskopien (Blasenspiegelung), Stents (bei Steinleiden) und Nephrektomien. Viele Operationen kann nur 1 Chirurg durchführen und bei anderen wäre ich die 5. am Tisch gewesen. Also war es oft schwierig zu zu schauen. Aber vlt. merke ich auch nicht direkt, wie viel ich doch so hinter der Kulisse mitbekommen und gelernt habe.

Nun habe ich wieder (zum dritten und vorletzten Mal) das Team gewechselt und bin ganz unten ;-) in der Darm- und "Popo"-Chirurgie (Kolorektal-Chirurgie) angekommen. Ich fühle mich hier sehr willkommen und gut integriert. Zu meiner großen Überraschung operieren wir nur mittwochs und freitags (dafür aber freitags bis spääät). Montags ist Polyklinik, Dienstag Forschungstag (was das genau heißt, muss ich noch rausfinden) und Donnerstag Darmspiegelungen.

Und als letztes bin ich nun in der Brustchirurgie. Brüste, Brüste, Brüste und ein paar Schilddrüsen (denn die Fachbezeichnung heißt breast and endocrine surgery). Ich kling schon richtig sexistisch - und das nachdem ich erst dort angefangen habe. OPs sind Dienstag, Donnerstag und Freitag; Sprechstunden sind so gut wie jeden Tag. Knoten, Geschwülste, Tumoren entfernen und dann die Brust rekonstruieren, sodass die Patientinnen mit einer wohl geformten Brust aufwachen und sich deswegen nicht auch noch sorgen müssen. Und nachdem Angelina Jolie sich prophylaktisch die Brüste amputieren ließ, weil sie (aufgrund von Genanalysen) Hochrisiko-Patientin ist, Brustkrebs zu entwickeln, werden mehr und mehr Frauen aufgrund dessen operiert. Heute eben habe ich so eine Operation mit anschließender Brustrekonstruktion gesehen, wobei sie Bauchfett zur Rekonstruktion genommen haben. Die Patientin wacht also mit flachem Bauch und vollen Brüsten wieder auf. 2 Wochen noch Brüste um mich herum ;-) und dann geht's nach Hause. Freue mich schon auf unser aller Wiedersehen!!!

2 Kommentare:

  1. Ahh, Ria, wie toll!!! Submarine und immer noch ohne Ofen... (dabei hatten wir damals einen kleinen gekauft - haben sie also wieder entfernt...)

    Ich wünsch dir viel Spaß in der Uro. War meine Lieblingsrotation da.

    Ganz liebe Grüße aus sommerlich-Schreibtischhausen,
    Caro

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  2. Das ganze Iphone-Getue hats auch bis nach Brasilien geschafft... Dafür hat man schnell den ICD10-Code zur Hand und kann eben ALLES fotografieren ;-) Da leiden wir zusammen!

    Wär schön, wenns mal klappt mit dem telefonieren oder skypen!

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